Entstehungsgeschichte der Anne-Frank-Realschule Ahaus

Wenn eine Schule 25 Jahre alt wird, schaut man gewöhnlich zurück, um sich des Geleisteten zu vergewissern, den Standort zu bestimmen und neue Ziele für die Zukunft zu definieren. Dass man über den Beginn hinaus auf die Ursprünge zurückschaut, ist eher selten und wohl auch mehr von historischem Interesse. Wenn hier nun der Versuch unternommen wird, die Vorgeschichte der Anne-Frank-Realschule nachzuzeichnen, dann dient das sicher auch dem letzteren, nämlich dem Festhalten geschichtlichen Geschehens, bevor es in Vergessenheit gerät und bevor auch die letzten Zeitzeugen verstorben sind, die die schriftlichen Quellen, die wir in den Archiven finden, erläutern und darüber hinaus Auskunft geben können.

Das Urteil dieser Zeitzeugen aufzurufen und auch ihren klärenden Widerspruch zu wecken, ist die zweite Absicht dieser Abhandlung. Eine dritte mag man darin erkennen, dass der Autor und mit ihm die Schule all denen Dank abstatten möchten, die, wo immer sie gewirkt haben, zum Entstehen dieser Schule einen Beitrag geleistet haben.

Woher kommt der Anstoss?

Nachdem in der Bundesrepublik Deutschland und ihren westlichen Ländern Mitte der fünfziger Jahre der innere Wiederaufbau einen ersten Abschluss gefunden und die Bundesreplik durch den Beitritt zur EWG und zur Nato außenpolitisch wieder Anschluss an ihre Nachbarn gefunden hat, mehren sich die Versuche, auch das Bildungswesen mit anderen Ländern zu vergleichen und Anstöße zu gewinnen, um es im Sinne der „Konkurrenzfähigkeit“ zu verbessern. Großes Aufsehen erregt damals eine Schrift von Picht mit dem Titel, in der darauf hingewiesen wird, dass die Bundesrepublik bei der Berufsausbildung zwar Vorbildliches vorzuweisen habe, bei den mittleren und höheren Abschlüssen im allgemeinbildenden Schulwesen zahlenmäßig jedoch weit hinter den westlichen Nachbarn zurückbleibe. In diesem Zusammenhang steht sicher auch eine Denkschrift des damaligen Kultusministers von Nordrhein-Westfalen Professor Mikat. Er fordert den Ausbau des Schulwesens im Lande, gründet die „Mittelpunktschulen“, die an die Stellen der Zwergschulen treten, und gibt auch den Anstoß für die Gründung neuer Gymnasien und Realschulen, auch für den damaligen Landkreis Ahaus.

Auch in diesem Kreis ist die Schullandschaft in Bewegung gekommen. Allenthalben werden die Progymnasien zu Vollgymnasien, deren Schülerzahl immer stärker anwächst, die Zwergschulen werden zusammengelegt bzw. zugunsten größerer Systeme geschlossen. Es entstehen Grundschulen, die nur noch die Kinder der ersten vier Schuljahrgänge unterrichten, die neuen Hauptschulen nehmen die Kinder vom fünften bis achten Schuljahr auf.

 

Zwei öffentliche Realschulen gibt es zu dieser Zeit im Kreis: im Norden die Städtische Realschule in Gronau und im Süden die Städtische Realschule in Stadtlohn. Während die Gronauer Schule von Mädchen und Jungen besucht wird, hat die Realschule der Stadt Stadtlohn nur männliche Schüler. Ihr Einzugsgebiet erstreckt sich von Oeding bis Heek und deckt damit den Süden und die geografische Mitte des Landkreises ab. Die Mädchen aus diesem Gebiet und darüber hinaus werden an einer dritten, einer privaten Realschule in Stadtlohn unterrichtet, die sich in der Trägerschaft der Schwestern der Göttlichen Vorsehung befindet. 200 Jungen besuchen die Städtische Realschule, 150 Mädchen die private. Die Realschule in Gronau unterrichtet Kinder aus Gronau, Epe, Alstätte, Graes und Nienborg und deckt damit den einwohnerstarken Nordteil ab. Folgerichtig ist sie mit 235 Mädchen und 239 Jungen, also insgesamt 474 Schülerinnen und Schülern, für damalige Verhältnisse sehr groß, so dass man sich schon bald darüber Gedanken macht, eine zweite Realschule – möglichst in Epe – zu gründen.

 

Zu dieser Zeit sorgt sich der stellvertretende Direktor der Städtischen Realschule in Stadtlohn um die langen beschwerlichen, oft mit dem Fahrrad zurückgelegten Schulwege der Schüler aus der Kreismitte, die damals die Realschulen in Stadtlohn besuchen. In einer Elternversammlung rechnet er vor, dass ein Schüler aus Heek oder Nienborg während seiner sechsjährigen Schulzeit eine Wegstrecke zurücklegen müsse, die das Anderthalbfache des Erdumfangs betrage. Diese Sorge und wohl auch die Gefahr der Festschreibung dieses Zustandes, wenn erst in Epe eine weitere Realschule gegründet sei, wird ihn wohl schon bewogen haben, als er zwei Jahre zuvor, nämlich am 14. September 1961, im Kreisausschuss des Landkreises einen Realschulzug am Ahauser Alexander-Hegius-Gymnasium anregte.

 

Mit diesem Gedanken hat er sich, gemeinsam mit dem FDP-Stadtratsmitglied Krönfeld, auch schon in einem persönlichen Gespräch an den Stadtdirektor von Ahaus, Herrn Petersen, gewandt, der in einer Aktennotiz am 22. März 1962 Folgendes festhält:

“Heute haben Herr Krönfeld und der stellvertretende Direktor der Realschule für Jungen in Stadtlohn, Herr Kühle, hier vorgesprochen.

Herr Kühle erklärte, dass nach seinen Informationen beabsichtigt sei, in Epe eine öffentliche Realschule zu errichten. (Von der Errichtung einer privaten soll man inzwischen abgekommen sein).

Herr Kühle bat mich, doch einmal die Frage der Errichtung einer Realschule in Ahaus zu prüfen. Zur Zeit würden etwa 40 Jungen aus Ahaus und Umgebung die Realschule in Stadtlohn besuchen. Der Andrang zur Realschule in Stadtlohn sei so stark, dass in den nächsten Jahren mit Sicherheit jedes Jahr 2 Sexten eingerichtet werden müssten. Herr Kühle hält es auf die Dauer nicht für zumutbar, dass die Kinder aus dem Raume Ahaus und Umgebung 6 Jahre lang die Belastungen eines Fahrschülers auf sich nehmen sollen.

Wenn schon eine neue Realschule im Kreise Ahaus errichtet werden soll, dann dürfte sie nach seiner Meinung keinesfalls in Epe errichtet werden, weil 4 km weiter, Gronau, eine Realschule unterhält. Nach seiner Meinung kann eine weitere Realschule im Landkreis Ahaus nur in der Stadt Ahaus errichtet werden…“

 

Dem o.g. Zeitungsbericht zufolge gibt Kühle der Elternschaft in Stadtlohn dann auch den Hinweis „zu überlegen, ob nicht durch eine günstige Neugründung einer Realschule (Gemeint ist wohl Ahaus. Der Verfasser.) solche weiten Schulwege zu vermeiden seien“. Damit stößt er bei den anwesenden Stadtlohner Eltern und dem Vertreter der Stadt auf Widerstand, weil man eine zu starke Minderung der Schülerzahlen in Stadtlohn befürchtet. Solche Widerstände halten Kühle allerdings nicht davon ab, sich als Mitglied des Kreistages und des Kreisausschusses auch weiterhin für eine Realschule in Ahaus einzusetzen.

Stadtdirektor Petersen äußert gegenüber diesen Vorstellungen Bedenken, hält sie jedoch für so wichtig, dass er „in Anlehnung an die Denkschrift zur Förderung der Realschulen in NRW“ das Bedürfnis für eine Realschule durch die Verwaltung prüfen lässt und den Ausschuss für das höhere Schulwesen in der Sitzung am 08.06.1962 davon und von dem Gespräch mit den Herren Krönfeld und Kühle unterrichtet. Das Protokoll der Sitzung enthält die bemerkenswerten Sätze: „Diese Unterrichtung dürfte von dem Gedanken ausgegangen sein, dass, falls im Kreise Ahaus eine weitere Realschule eingerichtet werden sollte, die Stadt Ahaus in vielfacher Hinsicht hierfür die besseren Voraussetzungen biete. Der Ausschuss … nimmt diese Unterrichtung dankbar zur Kenntnis, verzichtet jedoch auf eine Stellungnahme hierzu, weil konkrete Unterlagen noch fehlen.“

 

In der folgenden Zeit scheinen Sorgen um die Entwicklung des Alexander-Hegius-Gymnasiums mehr Raum eingenommen zu haben als das Bemühen um eine Realschule in Ahaus. Es tauchen Ideen auf, eine Realschule durch einen englischen Orden bzw. durch das Canisiusstift Ahaus betreiben zu lassen, die aber ernsthaft erst gar nicht geprüft werden bzw. sich schnell als unrealistisch erweisen.

 

Konkret wird das Vorhaben erst wieder mit der Anweisung des Stadtdirektors Petersen an den Stadtamtmann Hoppe die Errichtung einer Realschule betreffend vom 09.09.1963:

„Unter Bezugnahme auf die heutige Besprechung in der Verwaltungskonferenz bitte ich eine Vorlage für die Errichtung einer Realschule auszuarbeiten. Dabei kommt es darauf an, dass wir das Bedürfnis für die Errichtung dieser Schule nachweisen.“  Er ordnet an, die Zahl der Jungen und Mädchen aus Ahaus und Umgebung zu erfassen, die die Realschulen in Gronau und Stadtlohn sowie den „Realschulzug“ im Canisiusstift besuchen, und lässt durch eine Umfrage bei den Leitern der Volksschulen ermitteln, wie viele Kinder die Realschule besuchen würden, wenn eine in Ahaus wäre.

 

Die ermittelten Zahlen legt Petersen dem Ausschuss für das höhere Schulwesen in seiner Sitzung am 03.12.1963 vor. Der vertritt allerdings die Auffassung, „dass dem Grundsatze nach gegen die Errichtung einer Realschule in Ahaus keine Bedenken zu erheben seien“, und stellt abwartend fest: „Ob und wann hierzu die Notwendigkeit gegeben sein wird, müsse noch eingehend untersucht werden.“ Man will wohl auch Interessenkollisionen mit dem Canisiusstift, den Realschulen in Stadtlohn und Gronau und den Gründungsplänen in Epe vermeiden und auch die Ausbaumaßnahmen am Alexander-Hegius-Gymnasium nicht gefährden.

 

Obwohl Petersen im Januar Rückendeckung durch den Oberkreisdirektor erhält, der sich in einem Gespräch deutlich für eine Realschule in Ahaus ausspricht, und durch den Ahauser Bürgermeister Berding erfährt, „dass nach den Planungen des Kultusministers … Ahaus eine Realschule erhalten“ soll, lässt Petersen die Angelegenheit ruhen, bis sich im Sommer in Stadtlohn konkrete Pläne für den Neubau einer zweizügigen Realschule abzeichnen. Jetzt hält er „es für notwendig, dass, wenn die Stadt Ahaus die Absicht hat, eine Realschule zu errichten, jetzt der geeignete Zeitpunkt sei, um die Stadt Stadtlohn und auch die Bezirksregierung … hiervon zu unterrichten, damit dort keine Fehlinvestitionen vorgenommen werden.“ Das erscheint umso notwendiger, zumal die Realschule in Epe bereits im Aufbau ist. Der Ausschuss folgt dem Stadtdirektor und „vertritt die Ansicht, dass Ahaus als geografischer Mittelpunkt des Kreises und zentraler Ort im Interesse der Schulung der Schüler aus Ahaus und Umgebung eine eigene Realschule haben sollte“. Am 28.07.1964 schließt sich der Stadtrat dieser Auffassung an und „beschließt einstimmig, dass in Ahaus schon bald mit der Errichtung eines Realschulsystems begonnen wird, und beauftragt die Verwaltung, in Durchführung dieses Beschlusses, die notwendigen Maßnahmen zu treffen“.

 

Sogleich werden auch Überlegungen angestellt, wie und wo das Projekt realisiert werden könnte. Ratsherr Schütte mag wohl an einen Neubau denken, wenn er das Baugebiet Krefter als künftigen Standort sieht. Diesen Optimismus teilen sicher nicht alle. Trotz der Einstimmigkeit beim Beschluss gibt es auch Bedenken, ob die Neugründung auch dann notwendig sei, wenn den neuen Hauptschulen ein neuntes oder gar zehntes Schuljahr angegliedert werde. Diese Bedenken wurden jedoch von Bürgermeister Berding zerstreut, der zukunftsweisend darlegt: „Das Realschulsystem erhält in der gesamten Neuordnung des Schulwesens eine sehr bedeutende Stellung.“

Wer sollte der Träger sein?

Nach diesem Ratsbeschluss beeilt sich die Stadtverwaltung mit der Umsetzung. In mehreren Schreiben an die Schulabteilung und die Abteilung für Schulbaufinanzierung beim Regierungspräsidenten in Münster sowie an die Schulabteilung des Landkreises Ahaus werden Anfragen und Anträge gestellt mit dem Ziel, den Unterrichtsbetrieb zu Ostern 1966 beginnen zu lassen. Gleichzeitig taucht aber auch die Frage auf, wer die Trägerschaft der neuen Realschule übernehmen würde.

Angeregt durch die o.a. Denkschrift des Kultusministers Professor Mikat und den Bericht des Landtagsabgeordneten und Bürgermeisters Berding versucht Stadtdirektor Petersen zunächst auf dem Verwaltungswege, das Land Nordrhein-Westfalen für eine Trägerschaft zu gewinnen. Als das misslingt, versucht man es auf dem politischen Wege. Mehrere dringende Schreiben des neuen Bürgermeisters Ikemann an den Kultusminister, in denen sogar die Übergabe des Gymnasiums in staatliche Trägerschaft als Alternative vorgeschlagen wird, und auch die Bemühungen des Abgeordneten Berding, der sich persönlich an den Minister wendet, sowie auch persönliche Gespräche anlässlich eines Vortrages des Kultusministers über die Bildungspolitik der Landesregierung vor der Jungen Union Ahaus bieten Möglichkeiten, das Land zur Übernahme der Trägerschaft zu bewegen. Erreicht werden Genehmigungen für die Einrichtung eines neusprachlichen Zuges am Alexander-Hegius-Gymnasium und für den Ausbau des Canisiusgymnasiums zu einer Vollanstalt. Die Bemühungen um eine staatliche Realschule dauern länger als ein Jahr und enden definitiv erfolglos, als der Minister mit Schreiben vom 15.12.1965 an den Bürgermeister der Stadt Ahaus mitteilt, dass er nicht in der Lage ist, „in den kommenden Jahren eine staatliche Realschule zu errichten“, und anfragt, ob es nicht möglich sei, „einen anderen Träger zu finden, der die Errichtung der Schule unter den … geschilderten günstigen Voraussetzungen übernimmt“.

Zu dieser Zeit gibt es bereits einen Zweckverband der Stadt Ahaus mit den angrenzenden Gemeinden als Träger für eine Sonderschule für Lernbehinderte. Es liegt der Gedanke nahe, ein solches Instrument auch für die Gründung und die Trägerschaft einer Realschule ins Leben zu rufen. Noch bevor die schriftliche Ablehnung der Übernahme einer Trägerschaft seitens des Landes aus Düsseldorf eingegangen ist, regt Stadtdirektor Petersen an zu prüfen, „ob … ein Schulverband gegründet werden kann“.Auf seine Veranlassung hin sollen durch Umfrage bei den Schulleitern mögliche Schülerzahlen festgestellt, die Bereitschaft der Gemeinden zum Mittun abgefragt, das alte Kreishaus – die Stadt Ahaus hat es erworben – auf seine Eignung als Schulgebäude geprüft und die Zustimmung des Kultusministers zum Bau einer Realschule in Ahaus auf Zweckverbandsbasis eingeholt werden. Folgerichtig schildert Bürgermeister Ikemann in einen Schreiben am 3. Mai 1966 den Amtsdirektoren in Nienborg-Heek, Legden, Wessum und Wüllen und den Bürgermeistern der zugehörigen Gemeinden das Anliegen der Stadt Ahaus und lädt alle zu einer Besprechung am 13. Mai 1966 in den Sitzungssaal des Rathauses in Ahaus ein. Die Niederschrift über dieses Gespräch zeigt, dass alle Gemeinden lieber gesehen hätten, dass das Land als Träger eingesprungen wäre. Es wird auch deutlich, dass man eine Realschule in Ahaus möchte, sich mit der Zusage einer Beteiligung aber zurückhält. Die Gemeinden, aus denen Fahrgelegenheiten nach Coesfeld oder Epe bestehen, sehen für ihre Kinder auch dort Möglichkeiten. Immerhin wird erreicht, dass man die Gründung eines Zweckverbandes weiter verfolgen will. Die Stadtverwaltung Ahaus soll die Schülerzahl und die Kosten für eine sechsklassige (also einzügige) Realschule ermitteln.

Parallel dazu macht Kreistagsmitglied Kühle in der Sitzung des Kreistages am 14. Juni 1966 einen gezielten Vorstoß, um die Trägerschaft der Realschule in Ahaus durch den Kreis Ahaus zu erreichen und die Stadt Ahaus, in deren Trägerschaft schon das Gymnasium liegt, zu entlasten. Über diese Bemühungen und den Beschluss des Kreistages, den Antrag Kühles an den Kreisschulausschuss zu verweisen, wird am folgenden Tag in der Ahauser Kreiszeitung und in den Westfälischen Nachrichten, berichtet.[5] Stadtdirektor Petersen schreibt nun an den Oberkreisdirektor Rudolph einen Brief, in dem er sich auf die Pressemeldung bezieht und erklärt, dass die Übernahme der Trägerschaft durch den Kreis alle interessierten Gemeinden entlasten und von ihnen sehr begrüßt würde. Er stellt auch bereits ein geeignetes Grundstück im Vestert in Aussicht und bittet um Beantwortung der Frage „Was gedenkt der Landkreis Ahaus auf Grund des in der letzten Kreistagssitzung gestellten Antrages zu tun?”

Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: Obwohl der Oberkreisdirektor den Antrag ausführlich vorträgt und mit Zahlen belegt, entscheidet der Kreistag am 27. Juli 1966 bei zwei Enthaltungen einstimmig: „ Der Kreistag hält die Einrichtung einer Realschule in der Stadt Ahaus (für) sehr notwendig… Die Übernahme der Trägerschaft auf den Kreis ist nicht möglich; jedoch wird der Stadt Ahaus … eine Unterstützung im gleichen Umfange zugesagt, wie bei den Gemeinden, die bereits eine solche Schule eingerichtet haben.“

Mit aller Kraft werden jetzt die Bemühungen um einen Zweckverband mit den Gemeinden weiter verfolgt. Zur konkreten Vorbereitung führen Stadtdirektor Petersen und Kämmerer Fiegenbaum mit den zuständigen Schulaufsichtsbeamten am 22.09.1966 in Münster ein Gespräch, bei dem ein Schulbeginn für den 1. August 1967 in Aussicht genommen wird.

In einer Reihe von Sitzungen und Gesprächen im Rat und in der Verwaltung der Stadt wird über die Größe, den Standort und über die Kosten der neuen Realschule intensiv nachgedacht und diskutiert. Konkrete Pläne entstehen. Das gesamte Vorhaben erhält aber einen herben Rückschlag, als in einer Sitzung des Zweckverbandes für die Sonderschule, die Amtsdirektoren für ihre Gemeinden erklären, „dass diese an der Bildung eines Gesamtschulverbandes mit der Stadt Ahaus nicht interessiert sind.“

In den Folgemonaten unternommene Versuche, die Gemeinden doch noch für das Vorhaben zu gewinnen, scheitern. Am 17. April 1967 berichtet der Stadtdirektor darüber der Bezirksregierung in Münster und „bittet deshalb die Schulaufsichtsbehörde, die in Frage kommenden Gemeinden zu veranlassen, auf freiwilliger Grundlage einen Realschulzweckverband zu bilden“ bzw. „beim Herrn Kultusminister zu beantragen, dass er im öffentlichen Interesse im Benehmen mit dem Innenminister und dem Finanzminister die Stadt Ahaus und die … Gemeinden zur Errichtung einer Realschule in Ahaus, als zentraler Ort für die umliegenden Gemeinden, verpflichtet.“

Auch auf Anregung durch die Schulaufsicht schaltet sich nun Oberkreisdirektor Rudolph ein und lädt die Bürgermeister und Hauptgemeindebeamten aus Ahaus, Wüllen, Ammeln, Nienborg, Heek, Schöppingen, Eggerode, Legden, Asbeck, Wessum, Ottenstein und Alstätte zu einer Besprechung am 19. September 1967 ins Kreishaus, um die Gemeinden zur gefragten Zusammenarbeit zu bewegen. An der entsprechenden Sitzung nehmen auch Mitglieder des Kreisausschusses teil. Das Ergebnis ist unbestimmt. Der Gründung eines Zweckverbandes wird eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung der Gemeinden mit einem Träger Stadt Ahaus vorgezogen, vorher soll aber versucht werden, einen privaten Träger für die Ahauser Realschule zu finden.

Stadtdirektor Petersen schreibt daraufhin am 27. September 1967 das Bischöfliche Generalvikariat in Münster an, schildert die Bildungslandschaft in Ahaus und Umgebung und erbittet Antwort auf die Frage, „ob die Bischöfliche Behörde an der Errichtung einer solchen Schule in der Kreisstadt Ahaus interessiert ist.“

 

 

 

Nun ist also der Bischof von Münster der Ansprechpartner. Im o. g. Schreiben wird die schulische Situation in der Stadt Ahaus dargestellt und erwartet, „dass 400 Schülerinnen und Schüler die Anstalt besuchen werden“. Die Bemühungen um einen wie auch immer gearteten Trägerverein gehen weiter. In einer gemeinsamen Sitzung von Mitgliedern des Kreisausschusses und der Kreisverwaltung sowie den Vertretern der Gemeinden wird noch einmal die Notwendigkeit einer weiteren Realschule im Kreis mit Standort in Ahaus ausdrücklich betont, die Frage der Trägerschaft und damit der Finanzierung bleibt aber offen und an die Gemeinderäte zur schnellstmöglichen Beratung weiter gegeben.

Während den Presseberichten aus September und Oktober 1967 zufolge das Echo darauf in den Räten von Ablehnung (Alstätte, Ottenstein) bis vorsichtiger Bereitschaft (Ammeln, Heek, Wessum, Wüllen) reicht und selbst der Ahauser  Stadtrat nur „bei ausreichender Beteiligung der Nachbargemeinden“[1] zum Bau der Realschule bereit ist, schreibt der damalige Generalvikar Reinhard Lettmann am 16.10.1967, „dass das Bistum Münster grundsätzlich an der Einrichtung von privaten katholischen weiterführenden Schulen interessiert ist“.[2] Das nährt natürlich die Hoffnung auf eine baldige positive Entscheidung, die bei einem für November 1967 im Generalvikariat durch Bürgermeister Ikemann und den Leiter des Gymnasiums Thoss zu führenden Gespräch erwartet wird.

Dieses Gespräch lässt allerdings auf sich warten und findet erst, nachdem der Ahauser Stadtdirektor mehrfach brieflich nachgefragt und auch den Ahauser Dechanten Pricking um Einflussnahme gebeten hat, am 5. August 1968 in Münster statt. Auch Oberkreisdirektor Rudolph hat dieses Gespräch dem Generalvikariat gegenüber als dringlich angemahnt. So kommt es, dass auch er zusammen mit dem Kreiskämmerer Richters daran teilnehmen. Aus der Stadt Ahaus sind Bürgermeister Ikemann, Stadtdirektor Petersen und Oberstudiendirektor Thoss beteiligt, während das Bistum durch Generalvikar Lettmann und Domkapitular Gertz vertreten wird.[3]

Das Ergebnis bietet eine gute Perspektive: Das Bistum ist bereit, „unter folgenden Bedingungen eine Schule in Ahaus zu bauen: a) Die interessierten Gemeinden müssten ein Grundstück in der erforderlichen Größe kostenlos zur Verfügung stellen und der Bischöflichen Behörde übereignen. b) 50% aller Kosten für Investitionen, Erschließung usw. müssten von den interessierten Gemeinden in bar aufgebracht oder durch Übernahme des Schuldentilgungsdienstes entsprechender Darlehen zur Verfügung gestellt werden…

Wenn Schulgebäude und Einrichtung vom Schulträger gestellt werden, so übernimmt das Land 94% der Kosten der lfd. Unterhaltung sowie der Lehr- und Lernmittel. An diesen Kosten, die etwa 30 bis 40.000,– DM im Jahr betragen werden, müssten sich die interessierten Gemeinden ebenfalls mit 50% beteiligen…

Die Schule wird eine bischöfliche Schule. Dem Direktor wird ein Kuratorium beigeordnet. Das Kuratorium besteht aus 7 Personen, davon werden 3 von den beteiligten Gemeinden bestellt und müssen katholische Personen dieser Gemeinden sein und 4 Mitglieder benennt die Bischöfliche Behörde.“[4]

Wenn bis zum 15. September 1968 geklärt ist, ob sich die Gemeinden in entsprechendem Umfang beteiligen, kann der Kirchensteuerrat in seiner Sitzung am 21. September endgültig entscheiden. Das dazu vorher notwendige Gespräch mit den Gemeinden findet auf Einladung des Oberkreisdirektors am 13. August 1968 statt. Es ändert nichts an den schon genannten Einstellungen der Gemeinden und bleibt daher im gewünschten Sinne ergebnislos. Es soll jedoch ein weiteres Gespräch geführt werden, bei dem die Stadt Ahaus ihre Vorstellungen darlegen soll, wie sie den Standortvorteil gegenüber den anderen Gemeinden kompensieren könnte.

Wegen der Verhandlungen mit dem Generalvikar in Münster ist Eile geboten. In Rat, Ausschüssen und Verwaltung werden Vorstellungen erarbeitet und Bürgermeister Ikemann lädt die Bürgermeister und Hauptgemeindebeamten der Städte und Gemeinden zum 2. September 1968 um 18.00 Uhr in den Sitzungssaal des Ahauser Rathauses ein.[5] Es kommen die Vertreter aus Ammeln, Asbeck, Heek, Legden, Nienborg, Schöppingen, Wessum und Wüllen;  Alstätte und Ottenstein bleiben fern. Bei diesem Gespräch kommt es immerhin zur  Auslotung von Kompromissmöglichkeiten; die Gemeinderäte sollen bis zum 15. September in dieser Frage abschließend beraten. Das geschieht auch sehr zügig, die Zustimmungen der Gemeinden – auch Ottensteins und Alstättes – gehen bei der Stadt ein, und der Stadtrat kann am 13.  Septemeber grünes Licht für die weiteren Verhandlungen mit dem Bischöflichen Generalvikariat geben und die Verwaltung beauftragen, einen entsprechenden Vertragsentwurf zu erarbeiten.[6].

Bereits am 11. September 1968 unterrichtet Stadtdirektor Petersen das Generalvikariat brieflich von den zu erwartenden Beschlüssen und vergewissert sich am 16. September noch einmal telefonisch, dass das Thema auch auf der Tagesordnung des Kirchensteuerrates steht.[7] Am 4. Oktober antwortet das Generalvikariat und stellt Vertragsentwürfe in Aussicht, die am 25. Oktober auch tatsächlich eintreffen.

Gemäß einem Vermerk des Stadtdirektors erklärt Domkapitular Gertz in einem Gespräch am 8. November 1968 in Münster, dass „die bischöfliche Behörde beabsichtigt, mit dem Neubau der Realschule im Jahre 1971 zu beginnen, so dass das Bauvorhaben im Jahre 1972 fertiggestellt sein dürfte“.[8] Mit der Planung der Realschule solle alsbald begonnen werden. Von diesem positiven Ergebnis unterrichtet der Stadtdirektor seine Kollegen in den Gemeinden und auch den Oberkreisdirektor; darüber hinaus zerstreut er noch bestehende Bedenken in einzelnen Gemeinden, so dass alle erwartungsvoll der Verwirklichung des Vorhabens entgegen sehen. An den Entwürfen für den Schulvertrag wird eifrig gearbeitet. Eine Initiative aus dem Ahauser Stadtrat, das Generalvikariat zu bewegen, den Realschulbetrieb bereits 1969 im leer stehenden Schulgebäude in Heek-Ahle aufzunehmen, scheitert allerdings, weil das Generalvikariat fordert, dass für die Jahre 1969 und 1970 mindestens je drei Klassenräume verfügbar sein müssten.

Zu einer ersten intensiven Beratung über die Vertragsentwürfe mit den Vertretern der beteiligten Gemeinden kommt es am 13. Mai 1969. Hier werden Änderungen angeregt und erneut der Wunsch vorgetragen, mit einem Provisorium – 1970 in freien Räumen der Volksschule in Ottenstein – zu beginnen. Obwohl in der nächsten Zeit in der Sache Fortschritte gemacht und Unklarheiten ausgeräumt werden, zeichnet sich bei einem Gespräch in Münster am 19. August 1969 bereits ab, dass der Unterrichtsbeginn in 1972 wohl nicht zu halten sein wird, weil dem Generalvikariat die Mittel fehlen. Auch für ein Provisorium werden immer härtere Anforderungen gestellt.[9]

Nachdem bereits seitens ein Mitarbeiter des Referenten für Realschulen bei der Diözesanschulabteilung in Münster neue Gedanken hinsichtlich der Gründung von weiteren privaten Schulen angedeutet hat, betont auch der Referent Dr. Dikow in einer Aktennotiz vom 2. Februar 1970 selbst die Notwendigkeit der noch ausstehenden Zustimmung des Kirchensteuerrates und weist damit auf Probleme hin.[10] Offensichtlich schlagen sich hier wie auch in Ahaus selbst Bedenken nieder, die durch die geplante Einführung des 10. Schuljahres an den Hauptschulen entstanden sind. Konkreter wird Dr. Dikow dann in einem Gespräch in Ahaus am 29. Januar. Der Erste Beigeordnete der Stadt Ahaus bemerkt hierzu in einem Aktenvermerk: „Herr Dr. Dikow erklärte, dass eine gewisse Zurückhaltung der Diözese bei Schulplanungen zur Zeit dadurch gegeben sei, dass auf die Ersatzschule in Trägerschaft der Orden Rücksicht genommen werden müsse… Weitere Zurückhaltung ergebe sich dadurch, dass die Stellungnahme des neugebildeten Diözesansteuerrates sowie die allgemeine Finanzpolitik dieses Steuerrates noch ungewiss sei. Dabei erwähnt Dr. Dikow, dass die erste mögliche Finanzierung des Projektes ab 1973 stattfinden könne.“[11] Dass man auch in Ahaus selber nicht mehr so ganz konsequent bei der Sache ist, lässt ein Brief des Oberkreisdirektors vom 10. Februar 1970 an den Stadtdirektor vermuten, in dem er davon spricht, dass der Bischof von Münster in einem Gespräch mit ihm erklärt habe, man habe sich über das Verhalten der Stadt gewundert, die nach der Bereitschaftserklärung des Bistums „noch nicht wieder reagiert habe“.[12]  Nun reagiert Stadtdirektor Petersen prompt. Für die Verzögerung beim Abschluss der Verträge macht er eine fehlende vom Generalvikariat vorzulegende Kostenaufstellung als Grundlage für die Abschlüsse mit den Gemeinden verantwortlich. Im Übrigen weist er auf die vorgezogenen Anmeldefristen für Realschulen hin, bietet das Gebäude der Bernsmannskampschule zur Unterbringung eines Provisoriums an und  drückt seine Erwartung aus, „dass dann Zug um Zug mit der Bischöflichen Behörde der Vertrag über die Errichtung des neuen Realschulgebäudes … geschlossen werden kann.“[13] In einem weiteren Schreiben mahnt er die Dringlichkeit einer Entscheidung an. Dr. Dikow, der sich bereits bei früherer Gelegenheit als Gegner eines Provisoriums geäußert hat, entgegnet, dass für ein solches auch genügend Lehrer vorhanden sein müssten. Außerdem bleibe es „der Stadt Ahaus unbenommen, … eine Schule in eigener Trägerschaft zu errichten“. Man könne darüber verhandeln, „unter welchen Bedingungen das Bistum Münster eventuell später bereit wäre, die Trägerschaft dieser Realschule zu übernehmen“.[14] Domkapitular Gertz sagt in einem Brief vom 16. April 1970 der Stadt zu, dass das Bistum beabsichtigt, „ im Jahre 1973 mit dem Neubau einer Realschule in Ahaus zu beginnen“. Mit der Eröffnung der Schule könne bereits zu Anfang des Schuljahres 1972/73 gerechnet werden, wenn ausreichend Räume und genügend Lehrer zur Verfügung stünden und wenn zuvor „das Vertragswerk zum Abschluss gebracht wird“.[15]

Zur gleichen Zeit macht man sich in Ahaus schon Gedanken darüber, ob nicht die Einführung des 10. Schuljahres an den Hauptschulen eine Realschulgründung überflüssig macht. Dr. Dikow  gibt diesen Bedenken Nahrung, indem er in einem Brief vom 8. Mai 1970 an die Stadtverwaltung feststellt, „dass bei uns aufgrund des am 27. April dem Herrn Bundespräsidenten übergebenen Strukturplan des Deutschen Bildungsrates erhebliche Zweifel entstanden sind, ob es in Zukunft möglich und sinnvoll sein wird, Realschulen zu errichten“.[16] Und damit gibt sich der Stadtdirektor anscheinend zufrieden, denn in seinem Antwortschreiben vom 21. Mai erklärt er: „Mit Ihnen gehe ich einig darin, dass die Planung einstweilen nicht eher weitergehen kann, als bis die Umstrukturierung im Bildungswesen festere Konturen angenommen hat.“[17] Auf eine entsprechende Anfrage des Wessumer Amtsdirektors Tiggemann schreibt Petersen am 5. Januar 1971: „Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Bischöfliche Behörde in absehbarerer Zeit in der Stadt Ahaus keine Realschule errichten wird.“  Allerdings fährt er überraschenderweise fort: „Die Stadt Ahaus wird voraussichtlich zu Beginn des Schuljahres 1971/72 eine städtische Realschule errichten.“[18]

Tatsächlich fassen der Schulausschuss und auch der Haupt- und Finanzausschuss entsprechende Beschlüsse,  von der Tagesordnung der Ratssitzung am 4. Februar wird der Punkt „Errichtung einer Realschule“ auf Empfehlung des Stadtdirektors allerdings abgesetzt.[19] In der Schulausschusssitzung am 29.04.1971 wird die Frage zwar noch einmal diskutiert, jedoch unter dem Aspekt, dass auf eine Realschule in Ahaus wohl verzichtet werden könne, wenn am Alexander-Hegius-Gymnasium ein naturwissenschaftlicher Zweig angeboten werde und die Hauptschulen nach dem 10. Schuljahr die Fachoberschulreife vermittelten. Ein Beschluss wird auf die nächste Sitzung vertagt.[20] Danach schweigen die Akten zu diesem Thema.

 

 

[1] SAA 1.07.51-5353,  111ff.

[2] SAA 1.07.51-5353, 127

[3] SAA 1.07.51-5357, 212

[4] Vermerk des Stadtdirektors, SAA 1.07.51, 213f.

[5] SAA 1.07.51-5357, 195

[6] Protokollauszug, SAA 1.07.51-5354, 49

[7] SAA 1.07.51-5357, 164 und 157

[8] SAA 1.07.51-5357, 130

[9] Vermerk des Stadtdirektor, SAA 1.07.51-5357, 72f.

[10] SAA 1.07.51-5357, 57

[11] SAA 1.07.51-5357, 55

[12] SAA 1.07.51-5357, 51

[13] Brief an Generalvikar Lettmann vom03.03.1970. SAA 1.07.51-5355, 42f.

[14] SAA 1.07.51-5357, 14

[15] SAA 1.07.51-5357, 26f.

[16] SAA 1.07.51-5357, 13

[17] SAA 1.07.51-5357, 12

[18] SAA 1.07.51-5357, 9f.

[19] Protokolle und Schreiben des Stadtdirektors an den Bürgermeister siehe SAA 1.07.51-5355,  12-16

[20] SAA 1.07.51-5355, 8-10

Drei Jahre später – mittlerweile tut sich Entscheidendes auf dem Gebiet der kommunalen Neuordnung und Stadtdirektor ist Dr. Jünemann – taucht das Thema in den Akten wieder auf. Aus einem Schreiben des Generalvikariats, das offensichtlich eine Anfrage von Dr. Jünemann nach der Möglichkeit einer Realschule für Ahaus in bischöflicher Trägerschaft beantwortet, heißt es: „Wir sind aber zu der Meinung gekommen, dass dies unmöglich ist, da für eine solche Schule der Charakter der katholischen Angebotsschule neben kommunalen Alternativen nicht gegeben wäre; zudem sehen wir uns auch aus wirtschaftlichen Gründen dazu nicht in der Lage, da wir uns ja gerade zur Zeit im schulischen Bereich in Ahaus an der Canisiusschule sehr stark engagieren.“[1] Etwas schwierig zu verstehen, aber immerhin deutlich genug. Wenn es noch eine Realschule in Ahaus geben soll – so viel ist jetzt klar – dann nur in der Trägerschaft der Stadt selbst.

Den dazu notwendigen Errichtungsbeschluss fasst der alte Stadtrat in seiner letzten Sitzung vör seiner Auflösung am 17. Dezember 1974 bei vier Enthaltungen und zwei Gegenstimmen mit der qualifizierten Mehrheit von 13 Stimmen, quer durch alle Ratsfraktionen verteilt, und weil man einen generellen Rückgang der Schülerzahlen erwartet, wird auch gleich vorgesehen, die Realschule im Schulzentrum I im Vestert zusammen mit den Hauptschulen unterzubringen. Mit diesem Vorschlag tritt man allerdings eine Lawine los. Heftiger Protest der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Schulleiter, Lehrer, Schüler und Eltern der beiden Hauptschulen spiegelt sich in den Ausgaben der Lokalzeitungen wieder. Höhepunkt ist wohl ein Demonstrationszug von Hauptschülern und deren Eltern zum Rathaus, wo auch Eier gegen die Fenster geworfen werden.[2]

Ungeachtet dieser Vorgänge stellt Dr. Jünemann am 27. Februar 1975 in einem Brief an den Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen die Sachlage ausführlich und ohne Beschönigung dar, widerlegt die Bedenken der Gegner und bittet um Entscheidung darüber, „ob die Gemeinschaftshauptschule Alstätte noch für einige Jahre in Alstätte verbleiben kann und – sofern das bejaht wird – ob die für die Gemeinschaftshauptschule Alstätte im Erweiterungsbau des Schulzentrums vorgesehenen Räume von der Realschule genutzt werden können.“[3] In einem zweiten Schreiben vom gleichen Tage teilt er den Leitern aller Schulen in Ahaus und Umgebung das Ergebnis der Befragung der Eltern des 4. Grundschuljahres mit (110 Schülerinnen und Schüler sind angemeldet worden.) und bedankt sich für deren Mitwirkung.[4]

Am 6. Juni 1975 antwortet das Kultusministerium hinhaltend und weist auf fehlende oder nicht den neuesten Entwicklungen entsprechende Angaben hin. So ist der gewünschte Unterrichtsbeginn in 1975 nicht mehr erreichbar. Das hindert den Stadtrat allerdings nicht, auf Antrag der CDU den vom alten Stadtrat 1974 gefassten Gründungsbeschluss zu bestätigen, um der Sache mehr Gewicht zu verleihen. Die vom Ministerium angemahnten Unterlagen erfordern Bemühungen der Bezirksregierung, des Kreises und auch der Stadt. Eine Schulentwicklungsplanung muss durchgeführt werden.

Am 29. Oktober 1975 teilt Dr. Jünemann dem Ministerium entsprechende Ergebnisse aus Ahaus mit.[5] Auch der Kreis Borken gibt seine Ergebnisse über den Regierungspräsidenten weiter. Es wird sogar ein Gutachten eines privaten Planungsbüros bemüht.[6] Im März 1976 soll wieder ein Anmeldeverfahren in den Grundschulen durchgeführt werden; das kommt allerdings nach Ansicht des Ministeriums für das Schuljahr 1976/77 zu spät. Deshalb konzentriert Dr. Jünemann – nach persönlicher Rücksprache mit Vertretern des Kultusministeriums – alle Bemühungen auf eine Unterrichtsaufnahme am 1. August 1977.[7] Dazu wird am 11. März der ausführlich begründete Antrag gestellt. Hierin wird auch vorgeschlagen, die neue Schule für die ersten drei Jahre im Schulzentrum II im ehemaligen Gebäude der Josefschule, das nun vom Gymnasium genutzt wird, unterzubringen. Mit Fernschreiben vom 18. März stellt Kultusminister Girgensohn die Genehmigung zur Errichtung der Schule auch tatsächlich in Aussicht.[8] Auf einer von der Ahauser SPD veranstalteten Podiumsveranstaltung wurde der Ahauser Bevölkerung dann von allen Beteiligten bestätigt, dass eine Realschule für und in Ahaus nunmehr dringend notwendig sei.[9] Der Stadtrat beschließt am 18. März eine Resolution, in der die sofortige Genehmigung verlangt wird. Sie wird dem Minister durch Bürgermeister Ikemann am 2. April zugesandt. In Düsseldorf ist nun auch der Vorstand der Landeselternschaft zugunsten einer Ahauser Realschule aktiv und stimmt sich diesbezüglich mit der Stadt ab. Das Ministerium will eine endgültige Genehmigung jedoch immer noch nicht erteilen und mahnt den Schulentwicklungsplan für den Kreis Borken an.[10] Am 25. Juni 1976 wird allerdings durch den persönlichen Referenten des Ministers dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Schulpflegschaften, Herrn Neuhäuser, mitgeteilt, dass der Kultusminister Anweisung erteilt habe, den Ahauser Antrag „sofort – zum 1.8.1977 (ab Schuljahr 1977/78) – zu genehmigen.“[11] Am 10. August 1976 trifft der Genehmigungserlass auf dem Dienstweg über den Regierungspräsidenten und den Kreis Borken dann endlich in Ahaus ein. Die Freude darüber ist in den Presseberichten nachzulesen.[12]

 

 

[1] SAA 1.07.51-5357, 1

[2] Ruhrnachrichten vom 8.02.1975 SAA 1.07.45-3, 187

[3] SAA 1.07.45-3, 161ff.

[4] SAA 1.07.45-3, 156f und 166 – 176

[5] SAA 1.07.45-3, 131-132

[6] SAA 1.07.45-3, 117 u. 116

[7] Aktennotiz vom 9.03.1976, SAA 107.45-3, 116f.

[8] SAA 1.07.45-3, 97

[9] Bericht der Ruhr-Nachrichten vom 25.03.1976, SAA 1.07.45-3, 93

[10] SAA 1.07.45-3, 59

[11] SAA 1.07.45-3, 46

[12] SAA 1.07.45-3, 28

[13] SAA 1.07.45-2, 31

[14] Ruhrnachrichten vom 23.08.1977, SAA 1.07.45-2, 50

[15] a.a.O.

[16] Berichte der Westfälischen Nachrichten und der Ruhrnachrichten vom 5.11.1977, SAA 1.07.45-2, 34f. und Konzept der Rede des Bürgermeisters, SAA 1.07.45-2, 36-40

Die Schule entsteht

Sofort setzt in der Stadtverwaltung, in den Ausschüssen und im Stadtrat die konkrete Vorbereitung ein. Die notwendigen Unterbringungsbeschlüsse werden gefasst und auch schon per Anzeige das benötigte Lehrpersonal (ein Leiter und drei Lehrkräfte) gesucht. Auch die Lehrer des Gymnasiums werden angesprochen und gebeten, eventuelle mit Mehrarbeit stundenweise auszuhelfen. Auf erbetenen Vorschlag wird der Name vorläufig festgelegt: „Realschule der Stadt Ahaus – Sekundarstufe I“. Die Anmeldung für die neue Schule werden im Gymnasium entgegen genommen. 150 Schülerinnen und Schüler (98 Mädchen und 52 Jungen) werden angemeldet.[13]

„Unauffällig, ohne Feierstunde und Festreden – die offizielle Einweihung findet später statt – begann gestern in der neuen Ahauser Realschule der Unterricht.“[14]  So berichtet die Zeitung am 23. August 1977. 153 Mädchen und Jungen werden in vier Klassen von Schulleiter Bruno Wolf und den Realschullehrern Josef Friesenhahn, Jürgen Lustig, Marianne Reinert und Ludgera Terhorst seit dem 22. August unterrichtet. Die Schülerinnen und Schüler kommen aus Ahaus und seinen sämtlichen Ortsteilen, Heek mit Nienborg, Legden mit Asbeck und Schöppingen mit Egge­rode. Unterrichtsräume sind vorläufig vier Klassen und ein Mehrzweckraum in der ehemaligen Josefsschule an der Fuistingstraße, die jetzt zum Gymnasium gehören. Der Physikraum des Gymnasiums kann stundenweise mitbenutzt werden. Für später ist der Umzug ins Schulzen­trum I  bei den Hauptschulen im Vestert in Aussicht genommen. Der Unterricht wird von den fünf Lehrkräften – wenn auch teilweise fachfremd – komplett erteilt. Bürgermeister Ikemann, Stadtdirektor Dr. Jünemann und Schuldezernent Heying lassen es sich nicht nehmen, am ersten Tage nach dem Unterricht die neue Schule zu besuchen und dem jungen Kollegium Glück und gutes Gelingen zu wünschen und zu versichern, dass die Stadt dieser Schule, für deren Errichtung sie mehr als fünfzehn Jahre gekämpft habe, jegliche Unterstützung gewähren werde. Dazu zähle auch eine angemessene technische Ausstattung, die verständlicherweise im derzeitigen Provisorium noch nicht vollständig sein könne.[15]

Zur offiziellen Einweihungsfeier, die am 4. November 1977 mit einem Gottesdienst in der benachbarten Josefskirche und einer Feierstunde im Treppenhaus-Obergeschoss der Schule begangen wird, weist die Teilnehmerliste illustre Gäste aus der Bezirksregierung, dem Kreis Borken, der Stadt Ahaus und den umliegenden Gemeinden aus. Der ebenfalls eingeladene Kultusminister Girgensohn muss allerdings wegen Terminschwierigkeiten absagen, und auch der Landtagsabgeordnete Schmitz kann nicht kommen. An der von Darbietungen des Kammermusikkreises der Ahauser Musikschule unter dem Dirigat des Leiters Karl Feldhaus begleiteten Feier nehmen auch alle Schülerinnen und Schüler und die Elternvertreter teil, sodass der Platz sehr knapp wird. Im Mittelpunkt der Feier stehen Ansprachen des Bürgermeisters, der Vertreterin der Bezirksregierung, Frau Regierungsschuldirektorin Schian, und des Realschuldirektors Platte aus Lüdinghausen, eines Vertreters des Realschullehrerverbandes. Realschuldirektor Platte zeigt in seinem Referat den Stellenwert der Realschule als einer „Schule mit Zukunftschancen“ im gesamten Bildungssystem auf und gibt einen Einblick in Ziele und Methoden der Realschularbeit. Neben einer Schilderung der Schwierigkeiten auf dem Weg zur Entstehung der Schule und dem Ausdruck des Dankes an alle Helfer und Förderer betont der Bürgermeister die Freude darüber, dass die Leiter der Grund- und Hauptschulen , der Gymnasien in Ahaus und auch der benachbarten Realschulen in Epe und Stadtlohn durch ihre Teilnahme an der Feier den Willen zu gedeihlicher Zusammenarbeit bekundeten.[16]

Dieser damals geäußerte Wille zur Zusammenarbeit aller Schulen im Dienst an den Kindern in der Region hat sich in den vergangenen 25 Jahren nicht nur für die neue Schule bewährt und wird auch in der Zukunft für die Bildungsarbeit in Ahaus bestimmend sein.

(Bruno Wolf)

 


[1] SAA 1.07.51-5357, 1

[2] Ruhrnachrichten vom 8.02.1975 SAA 1.07.45-3, 187

[3] SAA 1.07.45-3, 161ff.

[4] SAA 1.07.45-3, 156f und 166 – 176

[5] SAA 1.07.45-3, 131-132

[6] SAA 1.07.45-3, 117 u. 116

[7] Aktennotiz vom 9.03.1976, SAA 107.45-3, 116f.

[8] SAA 1.07.45-3, 97

[9] Bericht der Ruhr-Nachrichten vom 25.03.1976, SAA 1.07.45-3, 93

[10] SAA 1.07.45-3, 59

[11] SAA 1.07.45-3, 46

[12] SAA 1.07.45-3, 28

[13] SAA 1.07.45-2, 31

[14] Ruhrnachrichten vom 23.08.1977, SAA 1.07.45-2, 50

[15] a.a.O.

[16] Berichte der Westfälischen Nachrichten und der Ruhrnachrichten vom 5.11.1977, SAA 1.07.45-2, 34f. und Konzept der Rede des Bürgermeisters, SAA 1.07.45-2, 36-40